Erinnerung an Debatte um das Wort “behindert” – “Newcomers” in Köln

Posted by Sara |29 Okt 18 | 0 comments

Erinnerung an Debatte um das Wort “behindert” – “Newcomers” in Köln

Um 18 Uhr, als die Türen zur Aula 3 der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln noch nicht geöffnet waren, bildete sich am 24. Oktober 2018 schon eine kleine Schlange. Mit kurzer Verzögerung – entstanden durch technische Herausforderungen – konnte schließlich gestartet werden. Etwa 200 Menschen waren gekommen: Frauen und Männer, Junge und Alte, Menschen mit und ohne Fluchterfahrung, Gehörlose und lautsprachlich Kommunizierende, Studierende, Lehrende und andere Berufstätige. Sie alle belebten und gestalteten die anschließende Diskussion zur Newcomers-Filmvorführung. Die Podiumsgäste waren der Regisseur Ma’an Mouslli und Arezao Naiby vom Newcomers-Filmteam sowie Christine Tschuschner und Umut Cucu vom Landesverband NRW: Deaf Refugees.

Erste Vorführung in Deutscher Gebärdensprache

Es war die erste Vorführung bei der sowohl der gesamte Film als auch die Diskussion in Deutsche Gebärdensprache gedolmetscht wurde. In erster Linie sollte dadurch den interviewten gehörlosen Protagonisten die Möglichkeit gegeben werden den Dokumentarfilm, in dem sie selbst eine Rolle spielen, sehen zu können. Von großer Bedeutung war daneben aber auch die generelle Öffnung solcher Veranstaltungen für Gehörlose und die Sichtbarmachung von Gebärdensprache.

Für mehr Sichtbarkeit plädiert auch der Landesverband NRW: Deaf Refugees während der Diskussion. Wenigen sei bewusst, dass es auch gehörlose Geflüchtete gibt, oder dass es mehr als 200 verschiedene Gebärdensprachen auf der Welt gibt. Gehörlose Newcomers machten zum Teil sehr ähnliche Erfahrungen wie lautsprachlich kommunizierende Geflüchtete. Zum Teil begegneten sie aber auch anderen Herausforderungen. So müssten sie etwa zwei neue Sprachen in einer neuen Umgebung lernen: die lokale Gebärdensprache – z. B. Deutsche Gebärdensprache – und die lokale Schriftsprache – z. B. Deutsch – mit jeweils völlig unterschiedlichen Grammatiken. Nicht nur deshalb wurde mit dem Landesverband eine Anlaufstelle für gehörlose Newcomers in Nordrhein-Westfalen geschaffen.

Die Macht des Wortes

Breit diskutiert wurde auch der Begriff “Flüchtling”. Dieser sei negativ konnotiert und viktimisiere Menschen mit Fluchterfahrung. Christine Tschuschner vom Landesverband NRW: Deaf Refugees bemerkt, dass sie diese Diskussion an die Debatten um das Wort “behindert” erinnerten. Auch dieses Wort sei lange Zeit und auch heute noch mit negativen Assoziationen verbunden.

Solche Begriffe haben Auswirkungen. Die Macht der Sprache auf Gesellschaft und Zusammenleben ist nicht zu unterschätzen. Der Regisseur Ma’an Mouslli plädiert im Sinne des Filmtitels und angelehnt an Hannah Arendt für die Verwendung des Begriffs “Newcomers”. Mehrmals wird der Begriff im Laufe des Abends aufgegriffen.

Insgesamt wurden viele Fragen gestellt und Anmerkungen gemacht: Zur Entstehung des Films, zur Kameraeinstellung, zur Nähe und Emotionalität des Films, zu den Interviews, zu Flucht und Gehörlosigkeit. Nicht alle Diskussionsstränge und Gedanken können hier aufgegriffen werden. Auch konnten und können nicht auf alle Fragen Antworten gefunden werden. Was aber bleibt ist ein Abend des gemeinsamen Austauschs mit verschiedenen Menschen aus unterschiedlichen Hintergründen, der mit kollektiv geschüttelten Händen, der Gebärde für Applaus, endet.

Zur Vorführung eingeladen hatten mehrere (Hochschul-)Gruppen und Initiativen: campus:grün köln, der Studierendenausschuss der Vollversammlung, die Fachschaft Hören und Kommunikation (alle angebunden an die Universität zu Köln) sowie der Landesverband NRW: Deaf Refugees. Für die Organisation der Veranstaltung und ihre Unterstützung danken wir herzlich an dieser Stelle. Ein besonderer Dank geht auch an Skarabee, die den Abend mit professioneller Dolmetschung begleitet und dadurch letztendlich möglich gemacht haben.